Das sollten Sie über die Dominanztheorie beim Hund (Canis familiaris) und deren Anwendung im täglichen Sprachgebrauch wissen

Der Begriff „Dominanz“ bzw. „soziale Dominanz“ als ethologisches Konstrukt beschreibt die Eigenschaften einer Beziehung zwischen zwei oder mehreren Individuen einer Spezies. Sie regelt soziale Konflikte und trägt dazu bei, dass offenes Aggressionsverhalten unnötig wird. Stattdessen werden hoch ritualisierte agonistische Verhaltensweisen gezeigt. Dies trägt dazu bei, dass das Risiko, Verletzungen bei einer Auseinandersetzung davon zu tragen, minimiert wird (O’Heare, 2004).

Diese Definition beschreibt nur Interaktionen zwischen Individuen der selben Spezies. Der Begriff sollte nie dazu verwendet werden ein Individuum bzw. eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Spezies als „dominant“ zu etikettieren. Die American Society of Veterinary Animal Behaviorists hält in ihrer Stellungnahme fest, dass sie sich ganz klar gegen den Gebrauch der „Dominanztheorie“ im Zuge von Hundetraining und Verhaltenstraining ausspricht. Denn in den meisten Fällen, wenn Hunde unerwünschtes Verhalten zeigen, resultiert dieses  Verhalten daraus, dass unabsichtlich das unerwünschte Verhalten verstärkt wurde. Es geht nicht darum,  den bevorzugten Zugang zu einer Ressource zu erlangen (AVSAB, 2008).

Woher kommt eigentlich die Dominanztheorie?

Die Idee, dass Menschen physische Kontrolle über Tiere ausüben sollen, wurde erstmals in den 1970er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das Buch „How To Be Your Dog’s Best Friend“ geschrieben von den Mönchen von New Skete, welche auch die „Alpharolle“ empfohlen, um mit unerwünschtem Verhalten fertig zu werden, trug maßgeblich dazu bei. Die „Alpharolle“ gründet in den Verhaltensbeobachtungen von in Gefangenschaft lebenden Wölfen während der 1960er Jahre. Die Wölfe wurden in viel zu kleinen Gehegen gehalten und die Zusammenstellung der Gruppen würde man nie in freilebenden Rudeln finden. Diese schlechten Lebensbedingungen führten dazu, dass diese Wölfe unnatürlich häufiges und intensives Aggressionsverhalten zeigten und ein Wolf den anderen „unterwarf“. Aktuelle wissenschaftliche Forschungen zeigen jedoch, dass die oben beschriebenen Verhaltensweisen nicht wolftypisch sind, wenn diese in freier Wildbahn leben können (Mech, 1999). Trotz dieser neuen Erkenntnisse und der Tatsache, dass Wolf- und Hundeverhalten sehr unterschiedlich sind, wurde die Dominanztheorie der breiten Öffentlichkeit bekannt und wird leider immer noch als „Trainingsmethode“ für Familienhunde propagiert.

Fälschliche Anwendung der Dominanztheorie

Ethologen sind sich einig, dass die Dominanztheorie keine Interaktionen zwischen zwei unterschiedlichen Spezies beschreibt. Trotzdem wird sie oft dazu verwendet, das Verhalten von Hunden zu etikettieren, welche mangelnde Selbstkontrolle zeigen oder eine herabgesetzte Reaktionsschwelle haben (Stress), also unerwünschtes Verhalten zeigen. Dies ist oft bei Hunden zu sehen, welche mittels aversiver Methoden (positive Strafe) und Zwang ausgebildet wurden (Pet Professional Guild, 2014).

Einen Hund als „dominant“ zu etikettieren ist nicht nur falsch, sondern auch potentiell gefährlich, denn dies kann dazu führen, dass die Konflikte zwischen Menschen und Hund zunehmen. Die involvierten Halter beginnen meistens, in jedem unerwünschten Verhalten des Hundes, die Bestätigung für die „Dominanz“ des Hundes zu erkennen und ignorieren gerne Beweise des Gegenteils (Steinker, 2007).
 In den meisten Fällen führt die Anwendung der Dominanztheorie zu mehr Gewalt und Zwang in der Hundeausbildung (Horwitz and Pike, 2014). Unterschiedliche Studien (Herron et al., 2009; Hiby et al., 2004) haben hierauf bereits hingewiesen. Herron et al. (2009) führen an, dass Methoden, welche auf Konfrontation und Eskalation beruhen, mit vermehrtem Aggressionsverhalten des Hundes assoziiert sind. Hiby et al. (2004) halten fest, dass Training mittels Strafe mit gehäuftem Auftreten von problematischen Verhaltensweisen assoziiert ist. Die Autoren fahren fort, dass auf Strafe basierendes Training tierschutzrelevant ist und keine Vorteile beim Erlernen des Grundgehorsams bietet.

Sowohl die American Veterinary Society of Animal Behaviour (AVSAB, 2008) als auch die British Veterinary Behaviour Association (BVBA) überweisen keine Klienten an Verhaltenstrainer und Verhaltensberater, welche Dominanztheorie propagieren.

Zusammenfassung

Die Dominanztheorie ist ein kontraproduktives Konstrukt, welches von den funktionalen Beziehungen zwischen Verhalten und Umwelt (Kontext) ablenkt. Die Beziehung von Umwelt, Verhalten und Konsequenzen bedingt und erklärt Verhalten (O’Heare, 2004).

Informative Weblinks

Stellungnahmen der Vereinigung Österreichischer HundeverhaltenstrainerInnen (VÖHT) zu diversen TV-„Hundeflüsterern“: http://www.voeht.at/aktuell/
TV-Training kritisch betrachtet: Leitfaden bzgl. TV-„Hundeflüsterer“: http://www.voeht.at/service/
Dominanz als Erklärung für Hundeverhalten ist ein „alter Hut“: http://www.animal-learn.de/tipps-rund-um-den-hund/dominanz-als-erklaerung.html
Unterhaltsamer und interessanter Beitrag von „Spass mit Hund“ über das alte Schreckgespenst Dominanz: http://www.spass-mit-hund.de/mehr-wissen/die-sache-mit-der-dominanz/dominanz-das-alte-schreckgespenst/


Buchtipps und Lesestoff

unser Handzettel "Dominanztheorie"

Artikel aus dem Schweizer Hundemagazin Februar 2013 "Hundeerziehung im Fernsehen - Nachahmung nicht zu empfehlen" von Katrin Schuster

O’Heare, James: Dominanztheorie bei Hunden: Eine wissenschaftliche Betrachtung. Animal Learn Verlag.

Eaton, Barry: Dominanz: Tatsache oder fixe Idee. Animal Learn Verlag.

Hallgren, Anders: Das Alpha-Syndrom: Über Führung und Rangordnung bei Hunden – was das ist und was nicht. Animal Learn Verlag.


Referenzen

American Veterinary Society of Animal Behavior (2008) Position statement on the use of dominance theory in behavior modification of animals. Online. http://avsabonline.org/resources/position-statements Accessed: 07. August 2014.

Herron, M.E., Shofer, F.S., Reisner, I.R. (2009) Survey of the use and outcome of confrontational and non-confrontational training methods in client-owned dogs showing undesired behaviors. Applied Animal Behaviour Science, 117(): pp. 47-54.

Hiby, E.F., Rooney, N.J., Bradshaw, J.W.S. (2004) Dog training methods: their use, effectiveness and interaction with behaviour and welfare. Animal Welfare, 13(): pp. 63-69.

Horwitz, D.F., Pike, A.L. (2014) Common sense behavior modification: a guide for practitioners. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 44(3): pp. 401-426.

Mech, L.D. (1999) Alpha status, dominance and division of labor in wolf packs. Canadian Journal of Zoology, 77: pp. 1196-1203.

O’Heare, J. (2004) Dominance theory and dogs. Dogwise Publishing.

Pet Professional Guild (2014) Position statement on the use of dominance theory in animal training. Online. http://www.petprofessionalguild.com/DominanceTheoryPositionStatement Accessed: 07. August 2014.

Steinker, A. (2007) Terminology Think Tank: Social dominance theory as it relates to dogs. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research, 2(): pp 137-140.